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Workshops
Workshop
1: Werteunterricht in der pluralistischen Gesellschaft
Gerd
Eggers: Der innovative „Ethikunterricht für alle“ in
Berlin und die zunehmende Pluralisierung des Bekenntnisunterrichts als
Erweiterungen individueller Orientierungsfreiheit für Heranwachsende
Seit Beginn des Schuljahres 2006/ 2007 wird – erstmals in Deutschland
– ein gemeinsamer Ethikunterricht für alle Schülerinnen
und Schüler an den Oberschulen durchgeführt. In diesem Fach
soll es nach dem Schulgesetz auch – und dies ist ebenfalls neu in
Deutschland – Kooperationen mit Bekenntnisgemeinschaften geben.
Im Vortrag wird gezeigt, dass das neue Berliner Modell des Werteunterrichts
– bei aller Kritik, die gegenwärtig noch am Rahmenlehrplan
und an der Lehrerbildung zu üben ist – für andere Bundesländer
zukunftsweisend sein kann. Zusammen mit der Möglichkeit, über
den obligatorischen Ethikunterricht hinaus, zunehmend verschiedene Angebote
religiösen bzw. weltanschaulichen Unterrichts wahrzunehmen, erweitert
das Berliner Ethikfach die Freiheitsräume zur individuellen Lebensorientierung.
Nach einer Information über Kernelemente des neuen Berliner Ethikfaches
im Vergleich mit LER in Brandenburg konzentriert sich der Vortrag auf
die zentrale Frage der öffentlichen Debatte, wie sich ein Pflichtfach
Ethik zur individuellen Orientierungsfreiheit verhält. Auf dem Hintergrund
des Freiheitsbegriffs des Grundgesetzes und der aktuellen Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts (Abweisung einer Verfassungsbeschwerde gegen
das Pflichtfach Ethik) wird verdeutlicht, dass die Behauptung der Gegner
eines gemeinsamen Ethikunterrichts, dieser schränke die Religionsfreiheit
ein, nicht verfassungsrechtlich, sondern allein ideologisch bzw. konfessionalistisch
begründbar ist.
Peter
Kriesel: Religiös-weltanschaulich neutral im Fach Ethik unterrichten
– Anforderungen und Probleme
Wie in den Curricula aller Ethikfächer steht auch im Berliner Schulgesetz
die Zusage und Forderung, das Fach Ethik „wird weltanschaulich und
religiös neutral unterrichtet.“ Diese Festlegung des Gesetzgebers
verlangt eine gründliche Durchdringung möglicher Probleme und
klare didaktische Richtlinien für die praktische Einlösung dieser
Forderung im Ethikunterricht. In Berlin stellt sich die Aufgabe und Forderung
der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Ethikunterrichts
mit besonderer Brisanz, da in ihm unter anderem Ethiklehrkräfte eingesetzt
werden, die auch für die bekenntnisgebundenen Fächer Religion
und Humanistische Lebenskunde ausgebildet sind.
Dargestellt und diskutiert werden insbesondere folgende Fragestellungen:
- Wie ist es für Lehrkräfte psychologisch und pädagogisch
möglich, den Ethikunterricht religiös-weltanschaulich neutral
zu gestalten, wenn sie sich selbst einer bestimmten Religion oder Weltanschauung
zugehörig sehen?
- Was ist bei der Einbeziehung von Vertretern aus Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften
in Kooperationsveranstaltungen des Ethikunterrichts zu beachten, sodass
auch dann der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Artikel 3) und die
Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses (Artikel
4) gesichert werden?
- Welche Anforderungen sind an die Qualifizierung der Lehrkräfte
bezüglich der zu vermittelnden fachwissenschaftlichen Inhalte und
der didaktisch-methodischen Kompetenzen zu stellen, damit sie diese Anforderung
des Gesetzgebers erfüllen können?
- Welche Rolle spielt bei der Darstellung und Bewertung von Traditionen,
Normen und Werthaltungen in Religionen, Weltanschauungen und Kulturen
die verpflichtende Wertorientierung an Grundgesetz und Menschenrechten?
Claudia Dantschke: Anforderungen an den Berliner „Ethikunterricht
für alle“ unter dem Aspekt der Integration von muslimischen
Jugendlichen
Grundvoraussetzung für eine integrationsfördernde Einbeziehung
muslimischer Jugendlicher ist die Anerkennung der Religion Islam als gleichberechtigt
mit anderen Weltreligionen. Der gemeinsame Ethikunterricht soll einerseits
dem gegenseitigen Austausch und damit dem Abbau von Feindbildern dienen
und andererseits muslimischen Jugendlichen auch ein Grundwissen über
die Vielfalt in ihrer Religion sowie über andere Religionen und Weltanschauungen
vermitteln. Unter diesem Gesichtspunkt werden auch Anforderungen an den
Rahmenlehrplan Ethik, an Unterrichtsmaterialien und an die Qualifizierung
der Lehrkräfte für das Pflichtfach Ethik dargestellt.
Jaap
Schilt: Werteunterricht konkret: das Fach Humanistische Lebenskunde in
Berlin
An Hand einer Videoaufzeichnung des Lebenskundeunterrichts in einer 6.
Klasse in Hellersdorf werden Möglichkeiten des Werteunterrichts gezeigt.
In einer kurzen Analyse werden danach die Schwerpunkte des Lebenskundeunterrichts
verdeutlicht und das Verhältnis zum neuen Pflichtfach Ethik in Thesenform
dargestellt. Ich werde dabei die Grundannahme verteidigen, dass Werteunterricht
in der Grundschule eine weltanschauliche Orientierung sehr gut gebrauchen
kann und vor allem eine erfahrungsorientierte Didaktik und Methodik voraussetzt.
Dies wiederum bietet eine gute Grundlage für ein gemeinsames Fach
Ethik in der 7. bis 10. Klasse. Dabei kann Humanistische Lebenskunde als
ein interessantes, vertiefendes und erweiterndes Angebot in der Oberschule
angesehen werden.
Workshop
2: Let’s talk about Sex!
Dr.
Gisela Notz (pro familia): Sexuelle Sebstbesimmung
Es gibt kaum einen gesellschaftlichen Bereich, der so von Bildern, Idealen
und emotionalen Bewertungen umstellt und verstellt ist, wie Sexualpolitik.
Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen Frauen so viele Kinder bekommen
mussten, dass sie frühzeitig erschöpft und alt waren, wenn sie
nicht schon vorher im Kindbett gestorben waren. Im 19. und zu Beginn des
20. Jahrhunderts gab es keine Verhütungsmittel. Daran hatten der
Kaiser und die Kirchen ein Interesse. Wer Verhütungsmittel öffentlich
vertrieb oder umsonst verteilte, musste damit rechnen, ins Gefängnis
geworfen zu werden. Dennoch tauchten Frauen, wie Helene Stöcker (1869
- 1943) auf. Sie entwickelte die Theorie der neuen Ethik. Diese war die
Grundlage einer gleichberechtigten Beziehung zwischen Frau und Mann. Auch
Frauen sollten ihr Leben auf ihrer erotischen Eigenständigkeit aufbauen
können. Angesichts der aktuellen „Kinderwunschpolitik“
werden nicht erfüllte Forderungen aus der Vergangenheit wieder relevant.
Schließlich hat jeder Mensch das Recht, über seine Sexualität
selbst zu bestimmen, das heißt, seine sexuellen Orientierungen,
seine Beziehungs- und Lebensformen frei zu wählen und sein Leben
entsprechend zu gestalten; mit und ohne (eigene) Kinder.
Dr.
Ines Scheibe (HVD Berlin) Schwangerschaftskonfliktberatung
Es soll die Situation der Schwangerschaftskonfliktberatung in Deutschland
und Berlin kurz beschrieben und kritisch hinterfragt werden. Wie sind
die gesetzlichen Regelungen, wie sind sie entstanden? Was sind die realen
Möglichkeiten und Grenzen der Schwangerschaftskonfliktberatung unter
den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen?
Anschließend sollen Aspekte einer weltlich-humanistisch orientierten
Beratung aufgezeigt werden, die bedingt auch für die Schwangerschaftskonfliktberatung
gelten. Über die Erfahrungen der einzigen weltlich-humanistisch orientierten
Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle in Deutschland wird berichtet.
Mina
Ahadi (Int. Komitee gegen Steinigung) : Patrarchale Religion und sexuelle
Diskrimierung
Welche Bedeutung haben islamische Tradition und Kultur für das Leben
der Frauen? Existiert ein Zusammenhang von patriarchaler Religion und
sexueller Diskriminierung? Wie ist die Rechtsstellung von Frauen im Islam?
Welches Verhältnis zum eigenen Körper, zur Sexualität und
zur Partnerschaft wird vom politischen Islam propagiert? Welche Strafen
werden gegen Selbstbestimmung verhängt? Ist Kritik an Menschenrechtsverletzungen
eurozentristisch, oder geht es um universale Werte? Wie können sich
Menschen gegen Menschenrechtsverletzungen wehren?
Workshop 3: Soziales und humanitäres Engagement jenseits
der Kirchen
Michael
Bauer: Humanistische Kindertagesstätten
Der HVD-Nürnberg versucht seit einigen Jahren, auf dem Feld des praktischen
Humanismus verstärkt lokale Angebote zu entwickeln und umzusetzen.
Beispiele hierfür sind seine drei Humanistischen Kindergärten,
die in den Jahren 1994, 2001 und 2004 eröffnet wurden. Der Beitrag
stellt überblicksartig „das Humanistische“ an den Nürnberger
Einrichtungen dar. Weiterhin soll verdeutlicht werden, welche Herausforderungen,
aber auch welche Chancen für eine örtliche humanistische Organisation
darin liegen können, auf die Bedürfnisse der nicht-religiösen
Menschen mit sozialen oder pädagogischen Dienstleistungsangeboten
zu reagieren und so den Humanismus praktisch werden zu lassen. Dabei wird
die These von einer notwendigen „Humanistischen Dialektik“
von Theorie und Praxis entwickelt, ohne die die soziale Arbeit keine Mitte
hätte und auch der weltanschauliche Diskurs abseitig bliebe.
Wolf
Steinberger: Säkulare Sozialarbeit in Indien
Für einen langjährig politisch aktiven „frohen Heiden“
ist „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ eine Verpflichtung.
Über die Arbeit in säkularen/atheistischen Verbänden stößt
ein Sozial-Projekt mit dem doch ungewöhnlichen Namen „Atheist
Centre“ in Vijayawada/Südindien daher auch auf besonderes Interesse.
Was das genau für eine Sozial-Station ist, warum sie so heißt
etc., lässt sich sicherlich am besten klären, wenn man dieser
Einrichtung unangemeldet einen Besuch abstattet und sich vor Ort ein Bild
macht. Dem ganz subjektiven Bericht über säkulare indische Sozialarbeit
liegt ein solcher, spontaner Besuch aus dem Jahr 1994 zugrunde.
Workshop
4: Selbstbestimmung bei Krankheit und Sterben
Gita Neumann: Selbstbestimmtes Sterben
Selbstbestimmung ist ein hohes Gut, welches im Umfeld eines humanen Sterbens
in Würde (noch) suboptimal entwickelt ist. Doch setzt Würde
Wahlmöglichkeiten voraus und am Lebensende ist auch der autonomste
Mensch in der Regel auf die Fürsorge und den Beistand anderer angewiesen.
Es wäre deshalb fatal, Selbstbestimmung zu verabsolutieren im Sinne
eines möglichst schnellen Ablebens oder begleiteten Freitods. Wir
stellen uns auch der Verantwortung, am Lebensende immer häufiger
mit nicht mehr kompetent äußerungsfähigen Patienten konfrontiert
zu sein. Als Humanisten sind wir gefordert – wenn auch nur mit unseren
sehr begrenzten Kräften – unseren Beitrag zu leisten zu humaner
Sterbebegleitung, zu Wohnformen für Demenzkranke, zur konkreten Verbesserung
der Schmerz- und Beschwerdelinderung. Schließlich sind die Möglichkeiten
– aber auch die Grenzen – einer individuellen Patientenverfügung
aufzuzeigen. Unser Ansatz ist praxis- und patientenorientiert, setzt auf
Kommunikation und Kooperation z. B. mit Ärzten, Kliniken und Pflegediensten.
Von einem solchen Hintergrund aus kann und muss dann – durchaus
in aller Schärfe – die ideologische Auseinandersetzung mit
jenen Kräften geführt werden, die jede Form der Sterbehilfe
als Einstieg in die
Barbarei und eine „Kultur des Todes“ verteufeln.
Dr.
Uwe-Christian Arnold (dignitate): Ist selbstbestimmtes Sterbven möglich?
Welche Bedeutung hat die Selbstbestimmung des Menschen, über das
eigene Leben zu verfügen? Stellen oder verschließen sich Ärzte
den sensiblen Fragen des Sterbens? Welche konkreten Hilfestellungen können
geleistet werden? Welchen Hürden bilden veraltete Standesrichtlinien
und Eidesleistungen? Ist mehr möglich, als tatsächlich praktiziert
wird?
Workshop
5: Feiern im Kreislauf des Lebens
Rica Gottwald: Jugendweihe: inhaltsleeres Ritual oder moderne
Form der Initiationsfeiern?
Was ist Jugendweihe, wer feiert sie, wie feiert man sie, warum ist sie
gleichermaßen gehasst und geliebt? Am Beispiel der Jugendweihe beim
„Roter Baum“ e.V. soll dargestellt werden, wie die Jugendweihe
in der Tradition von Initiationsritualen weltweit im Allgemeinen und der
Jugendweihen seit 1852 in Deutschland im Speziellen steht und sich stets
auf der Suche nach Neuem weiter verändert. Interessant ist dabei
auch, die Gründe gesellschaftlicher Akzeptanz und Nichtakzeptanz
zu beleuchten, über Konzepte zu sprechen und zu zeigen, wie wichtig
für eine humanistische und atheistische Bildung diese Station im
Leben ist.
Dr.
Andea Richau: Zwischen Gefühl und Ratio oder: Wie spirituell sind
humanistische Feiern?
Was bedeutet es, sich mit Sterben und Tod auseinanderzusetzen? Ist es
ein Nachsinnen über den Tod und das Danach oder ein Nachdenken über
das Leben und seine Sinnhaftigkeit? Einerseits säkularisiert sich
die Gesellschaft immer mehr, andererseits werden gerade bei die Gesellschaft
erschütternden Szenarien über Tod und Trauer kirchliche Rituale
bedient und benutzt, die Barmherzigkeit Gottes beschworen, um Anteilnahme
und Empörung gesamtgesellschaftlich religiös auszudrücken
– und das ganz staatsoffiziell, obwohl laut Grundgesetz der Bundesrepublik
Staat und Kirche getrennt sind.
Seit langem wird in der breiten Öffentlichkeit darüber diskutiert,
ob die weltliche Bestattung – also die außerhalb konfessioneller
Rituale stattfindenden Beerdigungen und Beisetzungen – ein Ausdruck
oder eine Folge des Kultur- und Werteverfalls in der Gesellschaft sei.
So manchen Schrift- und Wort-Beiträgen ist zu entnehmen, dass „die
weltliche Bestattung zunehmend die kirchlichen und religiösen Bestattungsrituale
verdränge und damit die Moderne einen Ritualverlust hervorbringe“
– eine Aussage, die unsererseits nicht unwidersprochen hingenommen
wird und die wir auch in unserer täglichen Praxis der Begleitung
Trauernder widerlegen. Wir haben ganz alltäglich und ganz praktisch
zur Kenntnis genommen, dass es Menschen gibt, die an einen Kirchengott
glauben; es gibt Menschen, die vertrauen „ihrem lieben Gott“,
ohne die Kirche als Institution anzunehmen; es gibt Leute, die machen
sich wenig Gedanken um die Welt und was die Welt zusammenhält; und
es gibt Menschen, die vertrauen auf eigene Kräfte und Gestaltungsmöglichkeiten,
glauben dabei an sich und nicht an Institutionen ... So soll es um das
konkrete Thema gehen, wie das ist, wenn Menschen sterben und wir trauern
– ohne Konfession, ohne Religiosität, ohne Riten, ohne Gottesbezug.
Fragen sollen Antworten finden: Wie ist das mit dem so genannten Wechsel
vom „Diesseits“ in das „Jenseits“? Was hat es
auf sich mit dem Wörtchen „spirituell“? Wie kann jemand
„weiterleben“, wenn er doch tot ist? Können Konfessionslose
trösten – brauchen Sie überhaupt einen Trost? Wie ist
das mit der Verantwortung für das „Sich-Wiederfinden“
der Hinterbliebenen wie auch das „Aufgehobensein“ der Gestorbenen
in dem weltlich gesprochenen und ins Licht gesetzten bzw. in den Klang
gehobenen Gedenken? Die Liste der Fragen – und die Suche nach Antworten
– mögen die Diskussionsteilnehmer/-innen fortsetzen.
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